Wieviel Familie steckt in Deinem Team?
- Mirjam Hecky
- 15. Juni
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Juli
"Mein Team ist wie meine Familie."
Diesen Satz höre ich immer wieder - in Seminaren, Supervisionen oder in Coachings mit Führungskräften. Und ja, er ist ganz rührend. Er zeugt von vermutlich (!) starker emotionaler Verbundenheit, von gelebter Nähe und einem WIR-Gefühl, das sich viele Teams wünschen und zuschreiben. Und dann kann sich die tägliche Zusammenarbeit auch mal wie Familie anfühlen.
Aber genau hier beginnt auch die Schwierigkeit.
Denn ein Team ist keine Familie. Und es sollte deshalb auch nicht wie Familie behandelt werden.
Warum?
Weil in Familien ganz andere Anforderungen und Erwartungen aneinander gestellt werden, als im Team. Wer Familie sagt, meint oft: bedingungslose Zugehörigkeit, Fürsorge, Loyalität – ganz gleich, was passiert.
In Teams dagegen braucht es zusätzlich Rollen- und Aufgabenklarheit, Grenzen, professionelle Distanz, offene Kommunikation und eine Führungskraft, deren Position von allen anerkannt wird.
💡 Wenn Beziehung, Bindung und Nähe wichtiger sind als Orientierung, Führung und Struktur, dann wird aus Team schnell Familie. Und dann funktionieren alltägliche Themen möglicherweise gar nicht mehr so gut.

Warum sich Dein Team manchmal wie Familie anfühlt
Wer im 3-Schicht-System arbeitet, gemeinsam Notfälle wuppt und durch Krisen geht, sich aufeinander verlässt, in Sekunden funktioniert und abliefert, füreinander einspringt – und zusammen Menschen in Krankheit, Leid, Schmerz und beim Sterben begleitet, der erlebt emotional manchmal mehr mit seinem Team als mit der eigenen Familie. Das ist intensiv, emotional dicht, das schweißt zusammen. Das schafft Nähe und manchmal auch eine Verbundenheit, die sich familiär anfühlt.
⚖️ Wenn Nähe zur Herausforderung für die Führung wird
Je enger die emotionale Beziehung, desto schwerer fällt es, professionelle Distanz zu halten – vor allem, wenn Du als Führungskraft selbst noch überwiegend mit am Bett stehst. Wie sollst Du führen und die Dinge „von oben“ betrachten, wenn Du Teil des Alltags bist? Wenn Du das Gleiche leistest und durchstehst wie Dein Team – wie kannst Du gleichzeitig ausreichend Abstand haben und führen?
💔 Wenn Nähe Erwartungen an die Führung schafft
Wenn Erlebtes verbindet, wachsen unmerklich die Erwartungen aneinander. Das ist menschlich, aber auch gefährlich. Denn je näher wir uns verbunden fühlen, desto leichter verletzt und enttäuscht uns, was nicht erfüllt wird.
Und oft geht es dabei nicht um das, was Du tust oder sagst – sondern darum, dass Dein Gegenüber (Dein Team) etwas anderes von Dir erwartet hat. Oder Du von Deinem Team!
Denn in Familien und damit auch in Teams, gibt es zahlreiche ungeschriebene Regeln und Gesetze (sog. Systemregeln, implizite Regeln), die unausgesprochen wirksam sind. Und dazu gehören auch Erwartungen an Menschen und deren Reaktionen und Handlungsweisen.
🪞 Wenn Du wie ein Familienmitglied führst
Wenn Du unbewusst wie ein Familienmitglied führst – wie eine Mutter, ein Vater oder ein Geschwisterkind – dann wirst Du im besten Fall auch wie ein Familienmitglied behandelt: Mit Vertrauen. Mit Zuwendung. Mit Offenheit.
Hört sich erstmal gut an. Aber auch das Gegenteil kann eintreten:
Du erntest Trotz und Widerstand, wenn jemand nicht bekommt, was er will. Oder im schlimmsten Fall endet es mit "Liebesentzug" (z. B. durch emotionalen Rückzug, Schweigen, Leistungsminderung, Dienst nach Vorschrift, Kündigung).
💡 Wenn Dich eine Kündigung nicht nur organisatorisch, sondern vor allem emotional trifft (oder wenn Sie Dir komplett egal ist!), dann warst Du möglicherweise mehr Familienmitglied als Führungskraft.
In welchem System führst Du eigentlich gerade – Familie oder Team?
Familie und Team – Zwei verschiedene Systeme
Ich habe eine systemische Ausbildung.
Was bedeutet das?
Mit der „systemischen Brille“ schaue ich nie nur auf den einzelnen Menschen – sondern immer auch auf das System, in dem er sich bewegt: mit all seinen Beziehungen und Dynamiken.
Denn systemisch gedacht gilt: Alles, was gut gelingt – und auch alles, was belastend erlebt wird – hat seinen Ursprung nicht nur in der einzelnen Person, sondern immer auch im Zusammenspiel mit seinem Umfeld (= System). Menschen handeln nie einfach so. Sie handeln immer in Resonanz* mit dem System, das sie geprägt hat oder aktuell prägt. (*Resonanz ist die Antwort/das Echo einer Person auf sein System, z. B. Verhalten, Reaktionen, soziale Interaktionen, Sprachmuster, Haltung/Menschenbild, Stimmungen etc.)
💡 Und genau deshalb ist es so wichtig, sich bewusst zu machen, in welchem System wir uns im Arbeitskontext bewegen: Familie oder Team?
Denn beides sind grundverschiedene soziale Systeme:
👨👩👧👦 Familie ist ein Bindungssystem
Es basiert auf Zugehörigkeit, Loyalität, lebenslanger Verbindung und starker Emotionalität.
Hier gilt: Man bleibt – egal was passiert. Man gehört dazu – ohne Bedingungen.
🎯 Team ist ein Leistungs- und Ergebnissystem
Es basiert auf klaren Rollen, Aufgaben, Verantwortung, Grenzen, professioneller Kommunikation und Zielerreichung.
Hier gilt: Man ist Teil des Systems, weil man eine Funktion erfüllt – und man bleibt, solange das aus professioneller Sicht für beide Seiten passt.
📌Hinweis: Ich beziehe mich hier bewusst auf das klassische Familienbild – wissend, dass es auch Familien gibt, in denen Bindung und emotionale Sicherheit nicht erlebt werden. Dadurch kann es passieren, dass Teammitglieder im Team unbewusst nach einem Ersatz für dieses Bindungsgefühl suchen – oder dass sich im Team ähnliche (vielleicht sogar toxische) Dynamiken wiederholen, wie sie im eigenen Familiensystem erlebt wurden.
Was bedeutet das für Dich als Führungskraft?
Wenn Du Dein Team wie Familie behandelst (oder Dich so behandeln lässt), entsteht leicht eine Schieflage. Es entwickeln sich unausgesprochene Erwartungen, z. B. an bedingungsloses Verständnis, emotionale Nähe, ständige Verfügbarkeit und unerschütterliche Loyalität. Das Ergebnis?
Früher oder später kommt es zu Unklarheiten, Missverständnissen und Konflikten – auf beiden Seiten. Führung UND Team.
❌ Die schlechte Nachricht Du kannst nicht gleichzeitig Familienmitglied, Vorgesetzter und Kollege sein!
✅ Die gute Nachricht Dein Team braucht das auch gar nicht (Brauchst Du es?).
Was es wirklich braucht, ist jemand, der klar ist in seiner Rolle – mit Haltung, Struktur und einem wachen Blick für das Miteinander.
Beziehung, Bindung und Emotionen sind dabei kein Widerspruch!
Die Arbeit im Team darf sich familiär anfühlen, aber sie braucht einen klaren Rahmen, der zum Arbeitssystem passt.
Das Team als Ersatzfamilie – Risiken & Nebenwirkungen
Wenn sich Team wie Familie anfühlt, kann das sehr verbindend sein – es bringt aber auch eine ganze Reihe von Risiken und Nebenwirkungen mit sich. Viele davon schleichen sich leise ein – unbemerkt, gut gemeint, aber mit spürbarer Wirkung auf Deinen Führungsalltag.
Im Folgenden habe ich typische Dynamiken für Dich gesammelt, die mir in meiner täglichen Arbeit mit Führungskräften immer wieder begegnen. Schau mal beim Lesen, ob Du Dich in dem einen oder anderen Gedanken wiedererkennst:
❌ Ständige Verfügbarkeit
Du fühlst Dich unwohl, wenn Du im Frei nicht auf Nachrichten oder Anrufe reagierst. Vielleicht meldest Du Dich trotzdem. Ein "Nein" oder "Ich bin heute nicht erreichbar" fühlt sich an, als würdest Du Dein Team im Stich lassen.
❌ Rollenverwirrung
Du übernimmst Aufgaben, die eigentlich ins Team gehören – einfach weil sie sonst keiner macht, sich niemand zuständig fühlt. Und obwohl Du es merkst, fällt es Dir schwer, klar zu delegieren oder die Verantwortung zurückzugeben.
❌ Emotionale Verstrickung
Du ertappst Dich dabei, dass Dich bestimmte Gespräche oder Rückmeldungen mehr beschäftigen, als Dir lieb ist . Es fällt Dir schwer, sachlich zu bleiben , weil sich manches persönlicher anfühlt, als es eigentlich gemeint war.
❌ Konfliktvermeidung
Du wägst jedes Wort ab, bevor Du eine kritische Rückmeldung gibst, aus Sorge, das gute Miteinander zu belasten. Teilweise denkst Du sogar tagelang über „die richtigen Worte“ nach. Und manchmal sagst Du lieber gar nichts, obwohl es eigentlich dringend nötig wäre.
❌ Überverantwortung
Du fühlst Dich für (fast) alle(s) zuständig und verantwortlich: Von der Stimmung im Team bis zum Ausfall im Frühdienst. Und wenn Du Dich fragst, wer sich eigentlich um Dich kümmert, kommst Du nicht auf die Idee, dass niemand anderes außer Dir dafür zuständig ist. Und vielleicht findest Du ja sogar, dass die anderen Schuld daran sind, dass Du so belastet bist, weil die machen ja Ihren Job nicht!
❌ Dienstliche Entscheidungen werden persönlich genommen
Du triffst eine Entscheidung, sachlich, nachvollziehbar, notwendig. Und trotzdem merkst Du: Sie wird nicht als Führungsentscheidung, sondern als persönliche Zurückweisung verstanden. Du fühlst Dich genötigt, Dich zu rechtfertigen, obwohl Du eigentlich nur Deinen Job machst und weißt, dass Du recht hast und es richtig machst.
❌ Kündigungen treffen Dich persönlich
Du weißt, dass es "nur" ein Arbeitsverhältnis ist, und trotzdem trifft es Dich ins Mark, wenn jemand geht, die Stunden reduziert, sich innerlich zurückzieht oder ein Amt abgibt oder dieses gar nicht erst annehmen will. Oder es ist genau andersherum: Die Beziehung ist so zerrüttet, dass Du nur noch willst, dass jemand endlich geht und Du es gar nicht mehr händeln kannst. Und Du merkst dabei: Hier geht es längst nicht mehr um ein berufliches Verhältnis, sondern um Beziehung.
❌ Privates wird zur Norm
Du wirst im Dienst regelmäßig in private Themen eingebunden und fragst Dich, ob das jetzt noch zu Deiner Führungsarbeit gehört? Oder vermischen sich gerade Rollen? Vielleicht teilst Du selbst auch viel Privates. Mal mit allen, mal nur mit ausgewählten Personen. Und plötzlich weiß niemand mehr so genau, wo Nähe und Distanz beginnen oder enden. Könnte für Außenstehende der Eindruck entstehen, dass Du einigen im Team näher stehst als anderen?
❌ Gedankenkreisen auch nach Feierabend
Der Dienst ist vorbei, aber Dein Kopf macht weiter. Du drehst Schleifen um Dienstpläne, Stimmungen im Team, dieser "eine komische Satz", den Du nicht einordnen kannst, offene Themen, Sorgen um Kollegen. Selbst wenn Du müde und im Frei bist – innerlich arbeitest Du weiter. Dein Kopf und Dein Herz haben unbezahlten Bereitschaftsdienst. Abschalten? Fehlanzeige.
❌ Verlust von Klarheit
Du willst alles richtig machen: nahbar und verständnisvoll sein, aber auch klar, gerecht, konsequent und entscheidungsstark sein. Nur je mehr zu versuchst, allem und allen gerecht zu werden, desto diffuser wird Deine Führungsrolle. Und irgendwann weißt Du selbst nicht mehr, was die Situation gerade wirklich von Dir verlangt.
Deine „Führung To-Go“
Wenn Du jetzt bei einigen Punkten innerlich genickt hast, ist das kein Alarmsignal oder ein Zeichen dafür, dass Du alles falsch machst!
In erster Linie ist es ein Zeichen dafür, dass Du tief eingebunden bist, mit Verantwortung, Herz und Menschlichkeit.
Könnte in der aktuellen, sehr aufgeregten Zeit nicht wichtiger sein!
Und das ist definitiv etwas Gutes!
Vor allem, wenn es Dir und Deinem Team damit gut geht und Ihr gemeinsam funktioniert, dann habt Ihr für Euch eine stabile Basis geschaffen. Weitermachen!
Wenn es Dir und Deinem Team damit allerdings nicht gut geht – wenn Du das Gefühl hast, dass Du oft über Deine Grenzen gehst oder die Zusammenarbeit regelmäßig an schwierige oder nicht lösbare Punkte stößt – dann lohnt sich ein genauer Blick.
Die nachfolgenden Fragen können Dir dabei helfen, Deine aktuelle Situation zu reflektieren und neue Klarheit zu gewinnen:
🔍 Wo Nähe zur Belastung wird
In welchen Situationen oder mit welchen Personen erlebst Du als Führungskraft gerade eine ungesunde Nähe?
🔍 Wer macht was – und warum eigentlich Du?
An welchen Stellen übernimmst Du Aufgaben/Rollen, die auch ins Team übertragen werden könnten?
Wo vermischt sich bei Dir privat und beruflich – ohne dass Du es wirklich willst?
🔍 Wenn’s zu nah geht
Welche Situation hat Dich rückblickend emotional besonders mitgenommen? Wie erklärst Du Dir Deine Betroffenheit?
Gibt es Themen oder Entscheidungen, die Du vermeidest – aus Angst, jemanden zu enttäuschen?
🔍 Klare Erwartungen, klare Führung
Welche unausgesprochenen Erwartungen erlebst Du im Team – und wie offen werden diese benannt?
Was ist DIE EINE SACHE, die Du schon heute verändern kannst, um Deine Führungsrolle klarer zu leben?
💡 Mein Tipp
Beantworte die Fragen mit Stift auf Papier – nicht im Kopf, nicht digital.
Schreib, was kommt – ohne Zensur. Es liest niemand außer Dir.
Händisches Schreiben verlangsamt Deine Gedanken. Und manchmal zeigen sich auf dem Papier Antworten, für die in Deinem Kopf bisher noch kein Platz war.
Du kannst Nähe professionell gestalten
Du hast als Führungskraft so viele Möglichkeiten, Dein Team und Dich zu stärken – ohne dabei in familiäre Rollenkonfusion zu geraten. Nähe und Bindung sind wichtig. Aber sie brauchen einen professionellen Rahmen, damit alle Beteiligten Orientierung erleben.
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Die Inhalte sind gegliedert in 6 alltagsnahe Kategorien:
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Teamentwicklung & Bindung
Führung & Management
Mitarbeiterentwicklung & -förderung
Arbeitskultur & Klima
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Zu jeder Kategorie bekommst Du 6 konkrete Ideen (also in Summe 36), wie Du mit kleinen Veränderungen große Wirkung erzielen kannst – ohne „Kuschelkurs“, sondern mit Haltung, Klarheit und System.
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Starke Teams fallen nicht vom Himmel. Sie werden von Menschen gemacht, die bereit sind, Beziehung bewusst zu gestalten und die eigene Führung weiterzudenken.
Weil Führung Pflege verdient.
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